Kite Einsteiger Tipps Guide

Kiteeinsteiger:

1 Jahr, gut 25 Spots, gut 100 Tage auf dem Wasser - eine Zusammenfassung (v.a. Kurse/ Lernen, Spots und Material).

Einleitung:

Relativ spontan haben meine Frau und ich Anfang Januar 2016 einen Kitekurs in Tarifa belegt. Im folgenden möchte ich ein paar Dinge zusammenfassen, die in unserem ersten Jahr überraschend waren - Informationen die man nicht gerade leicht bekommt, weil man die Fragen noch nicht kennt und auch nicht in jedem Einsteiger Guide zu lesen sind. 

Anfangen und Lernen:

Unter Laborbedingungen habe ich Leute erlebt die, mit guten Vorraussetzungen, schon am 2. oder 3. Tag gefahren sind. Diese Schüler haben mit ihren Vorraussetzungen und ihrem Talent nur einen Anteil zu ihrem Lernerfolg beigetragen. Kiteschulung ist in den letzten Jahren ein schnell wachsendes Massengeschäft geworden und findet zudem in der Natur statt. Es braucht schon eine gute Portion Glück, wenn man als Anfänger an eine wirklich gute Schulung an einen geeigneten Spot bei idealem Wind /Wetter kommt. 

Wir haben viel Geld für Schulung gelassen und oft nur wenig davon profitiert (bin selbst Pädagoge), weil Lehrer überarbeitet, demotiviert oder im Beruf deplatziert waren. Heute würde ich bei guter Vorhersage, sehr spontan 3-5 Tage Kurs belegen, dann eigenes Material kaufen und selbstständig an einem Stehrevier (oder am Gardasee mit Bootsbegleitung) weiter üben.

Spots:

Wir waren hier: Tarifa, Fuerte Sotavento Beach & Lagoon, Sizilien, Grado, Sottomarina, Chiemsee, Kochelsee, Walchensee, Vilstalstausee, Gardasee, Lago di Santa Croce, Talamone, Grüner Brink, Orth, SPO, Paracuru, Ilha do Guajiru, Barra Grande, Macapa, Cape Town: Derde Steen, Dolphin & Sunset Beach, Langebaan Shark Bay, Whitsand, Hermanus Grotto Beach Lagoon.

Ein paar Spots, besonders der Gardasee vom Boot (für Anfänger und Aufsteiger) sind deutlich besser als ihr Ruf unter den Kitern. Andere „Traumspots“ sind zu Stosszeiten, wo die Statistik stimmt (Windausbeute, Temperaturen), einfach nur überfüllt und trotz perfekter Bedingungen nicht (mehr) richtig geniessbar (Tarifa, Croce, BRA, ZA). Erst in Brasilien im November und Kapstadt im Januar ist mir klar geworden, was für ein Massensport Kiten ist.

Die schönsten und produktivsten Tage auf dem Wasser habe ich immer noch, wenn Statistik und Rahmenbedingungen für die Masse suboptimal sind. Warum ist das so wichtig? Zum Üben braucht man Platz.

Material:

Ich habe bisher 15 Kites und 6 Boards gekauft (und z.T. wieder verkauft). Dabei habe ich mich an große, gefragte Marken gehalten und diese Marken sich auch gut wiederverkaufen lassen (North, Slingshot, Ozone - ich wusste wohl schon, dass ich ein ersten Kauf noch nicht angekommen war).

Es traut sich keiner schriftlich sagen, aber ich kenne keinen Kiter, der aktuelle Neuware unter 20% Rabatt kauft (ein paar Core und Ozone Fahrer ausgenommen, die kaufen angeblich mit 10-15%). Kites und Boards sind seit ein paar Jahren ausgereift. Wirkliche Quantensprünge wie noch vor 5-10 Jahren gibt es nicht mehr. Aktuelle Ware wird ab August mit 20-40% Rabatt verkauft. Das ist mMn eine super Gelegenheit für einen Einsteiger, wenn man den Zustand eines Kites noch nicht richtig beurteilen kann. Zudem bieten viele Händler ab August günstige Testkites an, die in sehr gutem Zustand sind. Als Hausnummer darf ein 10er nicht mehr als € 800,—neu kosten. Ein Kite leidet wenn man ihn viel benutzt sowie beim Transport (v.a. auf Fernreisen). Er reisst auch mal und ist dann schnell nix mehr wert. Hier ein Überblick der Marktpreise im Winter: https://www.kingofwatersports.com/kite-sale 

"Ich kaufe Kites gern auch neuwertig gebraucht, aber nicht ungesehen. Zum Kauf von einer Kiteschule würde ich eher abraten (v.a. wg. UV Schäden). Einen Gardaseekite würde ich aber wohl kaufen. Meist sind die Preise der Schulen aber nicht besser wie beim Abverkauf im Laden.

Offensichtliche Kriterien für gebrauchte Kites sind: das Alter: Kunstoff altert (bes. im UV Licht). Sind Weichkunstoffteile (wie Schläuche vom One-Pumpsytem, v.a. aber Verstärkungspatches aussen) hart oder spröde - Finger weg. Scheuerstellen treten an Tuch und Nähten rund um die Fronttube, an den Struts (bes. der Bereich nahe der Fronttube und der Trailing Edge) und an den Stellen (nahe der Tips) über die man den Kite dreht auf. Weissbrüche und Zustand der Trailing Edge deuten darauf hin, wie lange der Kite in starkem Wind gelegen ist. Faden und Gewebe des Flugtuchs sind beschichtet. Es sollten sich glatt anfühlen und knistern. Greift es sich sehr „baumwollartig“ und leise an, hat, UV Licht, Sand und Wasser den Stoff schon stark beansprucht und geschwächt. (Kleine) Löcher im Flugtuch kommen auch bei neuwertigen Kites vor und müssen keine Schwächung bedeuten, solange sie gut versorgt sind (genäht oder geklebt).

Kitegröße zum Einsteigen: Anfänger fahren normalerweise erstmal zwischen 12-25kn. Das kann man so abdecken: > ca. 80kg: 14/10m; < 80kg, 12/9m. Wer nicht nur hin- und herfährt dessen Anspruch wird steigen und eine 2m Abstufung von 14m oder 12m abwärts ist dann optimal. LW (Leichtwind) Kites für 11-13/kn:  >80kg: 17/18m; < 80kg, 15m.

Kitetyp: Ein Kitekauf steht meist erst nach einem/ mehreren Kitekurs/en an, wenn man schon halbwegs Höhe laufen kann. Vorm Kauf sollte man sich fragen wer man ist: Defensiver Fahrer mit eher moderater Lernkurve: Freeride Kite (Rebel/ Evo), aggressiver, ehrgeiziger, sportlicher Fahrer: Freestyle Kite (Dice o.ä.). Wir haben mit Freeride Kites (North Evo) angefangen. Die wären für meine Frau immer noch ok, jetzt nach einem guten Jahr, aber überholt, da sie gerade mit Kiteloops anfängt. Ich bin in einem Jahr von den Evos über RPMs jetzt auf C4s/ Enduros. (Dices oder Enduros würde ich wahrscheinlich immer noch fahren…).

Der Hauptunterschied zw. Freeride und Freestyle- und Wavekites liegt im sog. "Sheet in and go, bes. im unteren Windbereich der Schirmgröße: Der Freeridekite bietet einen hohen Grundzug, den man mit gestelltem Kite und anziehen der Bar abrufen kann. Ein Freestyle/ Wavekite muss in Sinuskurven bewegt werden um in die Pötte zu kommen, dreht dafür aber schneller, hat den sog. "Pop und Zugabbau" beim unhooked springen und kann auch ohne Zug noch einigermassen gesteuert werden (bes. wichtig in der Welle).

Durch die Windrange ändert sich das Anforderungsprofil an den Shape der Kites auch. Z.B. soll ein LW Kite viel Grundzug (hohe Aspect Ratio, tiefes Profil) und einen leichten Relaunch haben. 

Bei viel Wind (über 25-30kn) ist der Relaunch und der Grundzug nicht mehr wichtig, wg. der dann meist auch stärkeren Böen wird aber Profilstabilität, Depower und Komfort wieder wichtig (Delta, Open-C oder Wave Schirme).

Deswegen ist vor allem der mittlere Windbereich von 14-8qm der kreative Bereich für die Schirmwahl (Delta, Open-C, Wave, C). 

Mein 14er (Open-C) ist auch der Leichtwindschirm meiner Frau. Als 12er haben wir C, als 10er Open-C für sie und die Reise und ein 10er C für mich. Ein profilstabiler Open-C ist mein 8er für Starkwind und ein Wave in 6qm ihr Starkwindkite.

Bar:

Beim/ nach dem gebrauchten Barkauf sollten man unbedingt die Leinenlängen checken und ggf. nachrecken/ ersetzen. Ausserdem sollten man den Zustand der Depowerleinen kritisch begutachten. Bars kaufe ich lieber neu…, da falls man neue Leinen (ca. € 150,--) braucht, die Kaufersparnis für Gebrauchte gleich wieder weg ist.

Barbreite: Da ich auch breite MTB Lenker mag, bin ich die Bars anfangs viel zu breit gefahren. Eine zu schmale Bar ist jedoch das geringere Übel. Gerade bei Schirmen unter 10m verreisst man den Kite mit zu breiter Bar viel zu schnell. Ich fahre >=12m 45cm Bars und am 14/17er 55cm.

Leinenlänge: >15qm: 27m, 15-12qm: 23-25m, >=11m: 22/23m

Kürzere Leinen sind mMn, auch bei den kleinen Kites, was für Leute die genau wissen was sie wollen. Der Kite wird unnötig schnell und Loops kreieren heftigen Versatz. Ich fahre auch beim 8er lieber 23m als 20m. 

Boards: 

Twintips: Ein gebrauchtes Board sollte nicht labbrig sein sondern beim Drücken sauber zurück federn und nicht nachschwingen (Boards ermüden). Wenn man halbwegs Höhe laufen kann (siehe oben), braucht es kein Riesenbrett. Meine Frau fährt immer noch auf ihrem 139er X-Ride, bei 60kg alles von 12-35kn. Das hatte sie schon bevor sie richtig Fahren konnte. Für mich kaufe ich keine gebrauchten Boards, aber auch keine überteuerte Neuware (Carbon Boards, z.B. haben bei tatsächlich relevanter Gewichtsersparnis auch negative Eigenschaften in der Dämpfung und durch Negativflex harte Landungen, ist es ähnlich schwer, bleibt der Vorteil rein optisch). Ein gutes Auslaufboard von Slingshot, z.T. für unter € 400, kann alles was die (mehr als) doppelt so teuren aktuellen Boards von North, Core oder Carved auch können, z.T noch mehr…

Heute habe ich (95kg) ein LW Board mit wenig Rocker (SS Misfit in 146) und ein sehr steifes Vision 140 als Freestyle Board mit viel Rocker das auch im Kabbel bei viel Wind bestens funktioniert. Alles was größer war habe ich bald wieder verkauft.

Es hat Monate gedauert bis ich kapiert habe, dass befriedigendes Kiten unter 12kn eigentlich nicht passiert. Klar gibt es das Folien, oder Mattenfahrer die mit 21qm und Door bei 9-11kn hin und her cruisen. Allerdings ist das so was von mühsam und unbefriedigend, dass ich in dieser Zeit mittlerweile lieber arbeite oder relaxe um bei nächst besseren Wind voll dabei zu sein.

Straps oder Boots: Nach 11 Monaten fing ich an mit Boots zu fahren, da die ersten unhooked Sachen gut geklappt haben und dabei, genau wie bei Loopsprüngen die Landungen schon mal sehr schnell werden. Da fühlt man sich mit Boots deutlich sicherer. Beim Abspringen für Inverts sehe ich wg. des Mehrgewichts noch gar keinen so großen Vorteil. Nach ein paar heftigen Crashs (als ich müde wurde) fahre ich die meiste Zeit wieder mit Straps: bei viel Wind, in größerer Brandung und immer wenn ich neue Moves probieren will (also fast immer…). Es ist eher so, dass ich die Boots ab und zu zum probieren drauf schraube um mich langsam dran zu gewöhnen. Update 6 Wochen später: Ich fahre die Boots jetzt fix auf meinem Vision und Straps nur noch dem Misfit, wenn der Wind grenzwertig wenig ist und der Spot zum anziehen der Boots problematisch.

Directionals: sind ja die große Mode im Moment und ist eine attraktive Weiterentwicklung für viele fortgeschrittene Kiter - gerade wenn die eigene Freestyleentwicklung stockt. Was Directionals für Anfänger/ Aufsteiger mMn nicht sind, ist ein alternative bei LW. Das mag für einen sehr guten Fahrer gelten, Bidi-Fahren bei LW lernen ist aber sehr mühsam - und wenn es mehr als 13kn hat, fahre ich (noch) lieber TT. Wir waren an einigen Spots wo Diri- und Straplessfahren sehr beliebt ist (Paracuru, Kapstadt Kitebeach). V.a. in Kapstadt merkt man, dass TT und Bidi in der Brandung nicht soo gut zusammen passen - v.a. wegen der aktuellen "Downwindmania"... da fährt plötzlich eine ganze Gruppe (von hinten kommend) quer zu allen anderen…ausweichen strapless oder toe-side ist oft sehr bedacht/ langsam bis unmöglich oder eben nicht gewollt wenn nach hunderten Metern downwind endlich mal ein cut-back bevorsteht….

Viele Hersteller geben an, dass sie alle wichtigen Eigenschaften in einem Kite oder Board vereinen können. Das ist leider physikalisch nicht möglich. Viele relevanten Eigenschaften stehen sich im Spektrum gegenüber, so dass Stärke im einen immer Schwäche im anderen Segment bedeuten. So kann ein Schirm mit hohem Grundzug nicht schnell drehen (aspect-ratio), und ein Board das weich landet schnell angleiten (Rocker) - um nur zwei Beispiele zu nennen.

Foren und Magazine und das Material

Es liegt in der Natur eines Forums, Neulinge und Unwissende anzuziehen. Wer Ahnung oder andere Infoquellen hat, taucht dort gar nicht auf.

Wenn man eine Zeit dabei ist, klingt es offensichtlich, aber die sozialen Medien sind ein sehr wichtiges Marketingtool geworden, das sich vielleicht deswegen auch wieder selbst abschafft. Tipps in Foren sind zu einem riesigen Anteil befangen. Sehr viele die Posten verfolgen (wirtschaftliche) Interessen die nicht unabhängig sind. Leider gehen die wirklich guten Ratschläge oft unter. 

Vorbei sind die Zeiten, dass Printmagazine eines der wenigen und wichtigen Marketingtools der Industrie waren und unabhängigen und professionellen Journalismus betreiben konnten. Heute ist es umgekehrt. Print is billig, dass Angebot an Magazinen groß, deren Verkaufsszahlen schlecht und ihre Abhängigkeit zu den Anzeigenkunden zu groß als dass man den Verkauf eines Produkts nicht bedingungslos unterstützen könnte. Gleichzeitig gibt es kein Budget für richtige Tests und gut recherchierte Artikel.

Sprich: heute sind Magazine die Marketingtools der Hersteller. Wer keine Werbung schaltet, muss verschwiegen werden. Was als Artikel getarnt ist sind Pressemeldungen der Hersteller und Anzeigenkunden (auch Reiseveranstalter etc.). Jedes Produkt ist super, besser als das Alte und gleichzeitig fehlen die tatsächlichen Unterschiede im Detail…schade…

(P.S.: Wir arbeiten beide in der Textilbrache und haben bei "Ozone" Schirme gefunden die mit einer einfachen und reduzierten Verarbeitung in der eigenen Fabrik einen sehr hohen Qualitätsstandard realisieren, den nur wenige andere schaffen. Weitere Argumente für diese Marke sind das niedrige V der Flugleinen (eine Inversion des Schirms bei einem Sturz ist schnell (auch im Wasser) aufzulösen), die rollenlose Waage (kein verheddern möglich) und eine Bar, die simpel, langlebig und funktionell ist. Als Zuckerl laufen die Schirme immer 2-3 Jahre, so dass sie recht wertstabil sind. Zudem sind die Leinen sind das Beste was mir auf dem Markt begegnet ist. Bei den Boards stehe ich auf den renommierten Wakeboardhersteller Slingshot. Im Ausverkauf bekommt man Topware für unter € 400,— mit symmetrischen Inserts (da die Fersenkante besonders leidet, kann man das Board bei fortschreitendem Verschleiss einfach drehen).)